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Interview (26.01.2016) mit William Bonney, Ex-NSA Direktor


William "Bill" Binney hat 37 Jahre lang für die NSA gearbeitet, unter anderem als technischer Direktor. 2001 verließ er den US-Geheimdienst aus Protest gegen dessen Datensammelpraxis.

Er tritt als Kritiker der Massenüberwachung  und tritt unter unter anderem auf Veranstaltungen wie dem Chaos Communication Congress auf um für Aufklärung zu sorgen.  Er war der erste Zeuge des deutschen NSA-Untersuchungsausschusses. Gemeinsam mit dem Regisseur Friedrich Moser hat er den Film "A Good American" gedreht, der im März in den Kinos startet.

Hier die wichtigsten Auszüge aus dem Online-Interview  das er am 26.01.2016 mit der Onlinezeitung derstandard.at unter Beteiligung eines Live-Chats mit der Leserschaft führte. Zur INFO: Viele Passagen wurden von mir vom Englischen in  Deutsch übersetzt.

Interview vom 26.01.2016

Zum geplanten neuen Staatsschutzgesetz das in Österreich eingeführt werden soll:

Großer Fehler. Es ist ein großer Fehler für jedes Land, Massenüberwachung einzuführen. Mehr gibt es darüber nicht zu sagen. Man wird nicht mehr in der Lage sein, potenzielle Gefahren zu entdecken und auszumachen. Die Attacken in Paris waren dafür ein gutes Beispiel: Sie kannten die Attentäter bereits vorab, unternahmen aber nichts dagegen, weil sie eine zu große Menge an Daten analysieren müssen. Innerhalb der NSA beklagen sie sich darüber übrigens schon seit 2007. 

Ist man nicht verdächtig für die NSA wenn man kein Facebook Konto hat?

Ob Facebook-Account oder nicht, ist egal Ob man auf sozialen Medien unterwegs ist oder nicht, spielt keine große Rolle. Die NSA sammelt auch auf anderen Wegen Daten über Personen. (Friedrich Moser ergänzt: Jeder Internetnutzer hat ohnehin Attribute, die ihn identifizieren, etwa die IP-Adresse.) Am besten wäre es, sich über Rauchzeichen oder akustische Signale zu verständigen. Die NSA überwacht jedes elektronische Gerät. Facebook-Accounts spielen aber vor allem für das FBI eine Rolle, Polizeibehörden lieben Facebook und Co - genauso wie Kreditinstitute und künftige Arbeitgeber. 

Arbeitet die NSA mit dem österreichischen Bundesheer zusammen? Ist Österreich dafür nicht zu klein?

NSA und Bundesheer arbeiten zusammen, aber über das Ausmaß habe ich keine Informationen. Generell lässt sich sagen, dass die Dienste in Europa die NSA unterstützen und Daten untereinander teilen. Die NSA hilft anderen Staaten, ähnliche Systeme der Massenüberwachung zu etablieren. Ob Österreich wirklich nur ein Moskito ist, sei dahingestellt... :-) 

Können Sie eigentlich frei reden, wenn Sie Ex-NSA Mitarbeiter waren?

Ja, es gibt Dinge, über die ich nicht reden darf - und zwar über Details meiner Arbeit bei der NSA bis 2001. Aber ich darf natürlich Dinge kommentieren, die öffentlich bekannt sind - etwas aus den Snowden-Dokumenten. Geheimdienstchef Clapper appellierte zwar an aktuelle und ehemalige Mitarbeiter, nichts über die Snowden-Dokumente zu sagen - aber ich werde sicher nicht mein Recht auf Redefreiheit aufgeben.

Frage zu Whistleblower und ob es diese Kontrolle braucht.

Wir wissen bereits seit dem Massaker von My Lai, dass das US-Militär seine Verbrechen vertuscht. Erst Ronald Ridenhour und Seymour Hersh mussten das offenlegen, bevor etwas passierte. Um eine interne Kultur, Missstände anzusprechen, einzuführen, müsste man die gesamte NSA ändern. Mitarbeiter wollen ihr Unternehmen beschützen, Wahrheit und Offenheit widersprechen dem. Aber das gesamte System der "Checks and Balances" ist gescheitert - der Senat, Gerichte ebenso. 

Frage zu bewusster Zusammenarbeite von Anbietern aus der IT Branche mit den NSA. Kann man jemanden vertrauen?

Die Antwort lautet Nein: Man kann niemandem vertrauen.
Jedwede Soft- und Hardware müsste kontrolliert werden. Man kann chinesischen oder russischen Produkten nicht vertrauen, genauso wenig US-amerikanischen. Also eine einfache Antwort: Nein. 

Warum ist der Aufschrei in den USA und bei anderen Staaten nicht groß, es geht doch um Bürgerrechte?

Friedrich Moser: Geheimdienste haben Deutungshoheit Friedrich Moser: Es gab keinen alternativen Narrativ. Die Leute sind alarmiert, wissen aber nicht, was sie tun sollen. Geheimdienste hatten als einzige die Deutungshoheit. Snowden hat aufgedeckt, was sie tun, aber es gab keinen Gegenentwurf. Man muss herausfinden, wer das Ziel ist und darf klassische Geheimdienstmethoden wie Observierungen nicht außer Acht lassen. Aber die Geheimdienste sagen, wenn wir nicht überwachen, passiert ein zweiter 11. September 2001 - dabei gab es damals schon ein Mittel, um das zu verhindern: ThinThread. Dass das verhindert wurde, ist einer der größten Skandale des Jahrzehnts. 


Empfehlen Sie Kameras und Mikrophone auf Laptops und Computern zu überkleben als Schutz vor unberechtigtem Zugriff durch Geheimdienste? 

Ja. Mehr gibt es da nicht zu sagen. 

Fühlen Sie sich auch überwacht? 

Ich hatte dann immer das Gefühl, überwacht zu werden. Aber nicht während meiner Zeit bei der NSA: Damals - ca. 1991 - wollten wir überprüfen, was die (anderen) Mitarbeiter der NSA so machen. Wir hätten über das Netzwerk analysieren können, was passiert. Aber Analysten regten sich auf: Überwacht mich nicht! Und auch das Management hatte Angst - nämlich vor dem Senat, der sehen würde, wie sie Geld hin- und herschiebten. Das Programm wurde abgesetzt. Deshalb weiß die NSA übrigens auch nicht, wie viele Dokumente Snowden mitgenommen hat. 

Warum ist es US Bürgern egal, dass sie überwacht werden? 

Wir hoffen, dass unser Film helfen wird, diese Debatte zu stimulieren. Die NSA lügt, wenn sie behauptet, keine oder nur wenige US-Bürger zu überwachen. NSA und GCHQ saugen natürlich alles ab. Und FBI sowie CIA haben direkten Zugriff auf diese Daten. Das NSA-Überwachungsprogramm "Stellar Wind" wird vom FBI seit 2001 genutzt. Ohne dass es gerichtliche Beschlüsse oder Kontrolle gäbe. 

Denken Sie, wird dieses Interview (Chat) überwacht? 

Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 100 Prozent. Ich habe aber noch keine Probleme gehabt, wenn ich zum Beispiel unterwegs bin und reise. Friedrich Moser: Ich habe mich entschieden, beim Start der Arbeiten zum Film so lautstark wie möglich aufzutreten, um die Überwacher abzuschrecken. Die Chance, dass sie uns überwachten, wenn ich die Arbeiten zum Film geheim gehalten hätte, wären ohnehin sehr hoch gewesen. 

Welchen Stellenwert hat Wirtschaftsspionage der USA? 

Andere Ministerien fragen die NSA um Hilfe, die liefert dann Daten. Man denke z.B. an das US-Finanzministerium, das von großen Wall Street-Konzernen massiv beeinflusst wird. Während der Eurokrise gab es hier bestimmt Informationen aus erster Hand. Binney: Daten können eben auf jede erdenkliche Art missbraucht werden. Moser: Deshalb ist es so wichtig, dass es Kontrollinstanzen gibt, etwa parlamentarische Ausschüsse. Die handelnden Akteure müssen sich vor der Justiz verantworten, wenn sie gegen Gesetze verstoßen. 

Seit wann entzieht sich die Überwachung der demokratischen Kontrolle? 

Das passiert schon lange Ich kann ihnen ein paar Beispiele dafür nennen: Es gab Richter des Supreme Courts, Generäle, Politiker wie Eliot Spitzer, Journalisten wie Jim Risen, deren persönliche Informationen geleakt wurden. Dasselbe gilt auch für Unterstützer der Occupy-Bewegung oder Gegner des Irakkriegs. 

Hat Neuseeland auch seine Bürger ausspioniert?

Neuseeland erhielt die Technologie... ... genauso wie andere Five Eyes-Länder und Deutschland - wobei die Briten das Programm nicht wollten. Ob Neuseeland ThinThread wirklich genutzt hat, wissen wir nicht - Shorrock hat das uns gegenüber nicht erwähnt. 

Was dürfen wir von Microsoft halten? 

Microsoft hat mit der NSA kooperiert, um mehr Sicherheit herzustellen - was sagt uns das über Microsoft? Ich selbst nutze allerdings Windows - ich will ja, dass alles aufgezeichnet wird, was ich sage, damit ich das dann vor Gericht verwenden könnte. Generell denke ich, dass wohl alle Verschlüsselungsprogramme geknackt worden sind. Am besten wäre es, eine eigene Verschlüsselung zu entwickeln, etwa einen Transposition cipher. Übrigens: Zu Microsoft braucht es keine "Backdoor", durch Programme wie "Prism" geht es auch über die Vorder-Türe rein